Die Weber am DT – Rezension
Im DT wird seit 20.1. 11 „Die Weber“ in der Regie von Michael Thalheimer aufgeführt, wird der beschwerlich zu verstehende Dialekt des alten Naturalisten aus seiner Frühzeit, heute, in einer Großstadt, noch ankommen? So hätte man vor 20 Jahren gesagt und nirgends wäre dieses düstere Stück mit seinen Elendsgemälden gespielt worden. Hier nun aber staunt man, denn was man zu sehen bekommt, ist echtes Revolutionstheater. .
Ungeachtet der Gespenster-Kommunismus-Debatte wagt es das DT eine Aufführung zu geben, die minütiös aufzeigt, wie sich aus tiefstem Elend die Rebellion formt und erreicht damit, dass im Saal nicht einer Mitleid mit Herrn Dreißiger hat. Wie erreicht es diese Wirkung? Etwas fällt übrigens auf, hier fehlen die Mittelschichten. Die starke Zuspitzung der Klassenwidersprüche wird herausgearbeitet. Durch die Entwicklung der „schlechten“ Zeiten, die uns überraschend bekannt vorkommen. Für die fühlt sich Herr Dreißiger, der Fabrikant, ähnlich wie heutige Kapitaleigner, nicht etwa selbst, sondern dafür macht er die Faulheit und Trunksucht seiner Arbeiter verantwortlich.
Oben und Unten
Auf der Bühne gibt es nur ein Oben und ein Unten, symbolisiert durch das einzige Requisit, eine dreistufige sich über die gesamte Bühne hinziehende riesenhafte schwarze Holztreppe, Mittelschichten haben sich schon beinahe ganz zerrieben, der Expedient, ein kriechendes, später sich an Dreißigers Beine klammerndes Wiesel, glänzend gespielt von Moritz Grove, den Pastor (Horst Lebinsky), wütend aufstampfender Mensch, der seinen Einfluss verloren hat, der Polizeidiener und sein Verwalter, alle zusammen blasse Gestalten, die nicht in Erinnerung bleiben, aber gut gespielt in eben dieser Blässe und fehlenden Festigkeit. Dies steht ganz im Gegensatz zur Eindringlichkeit, mit der die beiden diagonal sich gegenüberstehenden Klassen gezeichnet sind, wie in Fels gemeißelt stehen die Figuren da, aus tausenderlei Gesprächen haben sich diese Sätze aus Hauptmanns umfangreicher Recherche herauskristallisiert, man begreift es heute deshalb so gut, weil man es meint wiederzuerkennen. Die Argumente sind dieselben, erschreckend wird das deutlich und mutig wird es gewagt, deutlich zu machen.
Die Diktatur des Kapitals verschleiern?
Mögen die Marionetten von ihren parlamentarischen Bühnen noch so sehr die Demokratie und die Gesetzlichkeit predigen, sie ist real nicht mehr vorhanden, die hat sich aufgelöst in ihre nicht vorhandenen Möglichkeiten, sie hat nur noch die Funktion die Diktatur des Kapitals zu verschleiern und als die jeweils Durchreisenden von den Schlössern der Reichen berichten, die entlang der Flüsse stehen, da brodelt die Wut spürbar auf und man kann sich nicht dagegen wehren, dass man sich an die jüngsten Statistiken über den Zuwachs des Reichtums in immer weniger Händen der Weltelite erinnert, bei gleichzeitig aufkommenden Bildern der Flüchtlingsmassen, die gegen die Klippen Europas geschwemmt werden. Dies wird nicht dargestellt, aber entsteht in den Köpfen.
Frei von Manierismen
Dann habe ich schon oft die Methode, die Schauspieler statt miteinander, ins Publikum sprechen zu lassen, als reine Masche, als manieriert, langweilig, und neuzeitlich-dekadente Mode empfunden, nicht eben nützlich, hier aber verstehen die Schauspieler gerade dieses Mittel genial einzusetzen, um den Text eindringlicher rüberzubringen als ich es je gesehen habe, wenn en face gesprochen wird. Ich weiß nicht woran es lag, dass diese hier es derart gut konnten, es mag an winzigen Momenten gelegen haben, an Variationen kleinster Art, wie sie sich manchmal doch kurz einander zuwandten, wie sie das Publikum genau ins Visier nahmen, das es einem durch Mark und Bein ging und man sich in der U-Bahn, dem Obdachlosen gegenübersitzend wähnte, jedenfalls dieses Stück zog einen in seinen Bann, obgleich keine Zeile des alten Stückes geändert wurde und der Dialekt genauso schwer verständlich wie vor hundert Jahren war. Großartig war Katrin Wichmann in der Rolle der alten Baumert, Michael Schweighöfer in der Rolle des Schmieds Wittig, der wie Marx über allen tronte und die Menge zur Revolution aufrief, kraftvoll, aber ganz unpathetisch, dann Ingo Hülsmann als Dreißiger, wie er diesen so täuschend ähnlich den heutigen Bankern gab, alles in allem ein tolles Stück, hingehen, nicht zögern und danach sich beschwingt fühlen gegen die Lügen des herrschenden Mainstream ein kleines bißchen mehr gewadmet.