Carmen Maja-Antoni: Im Leben gibt es keine Probene – Buchrezension und Porträit
Die kleine, aber überaus witzige, in besonderer Weise ausdrucksstarke Brecht-Schauspielerin, Carmen Maja-Antoni, seit Jahren mit einer neuen und besonderen Mutter Courage im Berliner Ensemble zu sehen, holt in ihrem Erinnerungsbuch: „Im Leben gibt es keine Proben“ das BE aus dem Winkel der Bedeutungslosigkeit heraus, der ihm seit der Wende so gern zugewiesen wird.
Eindrucksvoll beschreibt sie, wie das Theater und seine Menschen nach der Wende von kaltherzigen Bürokraten „abgewickelt“ wurde, was deshalb einen so bestürzenden Eindruck hinterlässt, da sie beschreibt, was das BE in den Jahrzehnten vor der Wende war. Ein Welttheater, berühmt und beliebt in tausenden Plätzen der Welt, aber auch ein heimlich offenverstecktes Oppositions-Theater voller Menschen mit Ideen und Kollektivgeist, ein Theater mit damals einzigartig gleichberechtigten und den Schauspieler fördernden Arbeitsbedingungen. Etwas Besonderes, bekannt in der ganzen Welt, überall da, wo Brecht geliebt wurde.
Brecht nicht zeitgemäß hieß es damals
Als es dann mit dem Staat zum Ende kam und nun alle Intellektuellen auf Öffnung, Liberalisierung, Verwirklichung kritischer Ideen hofften, da beschreibt sie, wiederum sehr schonungslos, die schon bald einer bitteren Ernüchterung weichenden Erfahrungen der Schauspieler. „Wir wussten alles über den Westen, wir kannten Peymann und jeden Schauspieler drüben, aber sie…, sie wussten nichts über uns.“ Peter Zadek verwechselte sie mit einer Putzfrau, so fasst die Schauspielerin ihren Eindruck von der Zeit nach der Wende zusammen. Man wollte offenbar, Brecht, zusammen mit der DDR, gleich mit erledigen, nicht mehr zeitgemäß, hieß es damals. Wenn wir uns heute Texte anschauen, schreibt sie, aus diesem Riesenwerk von Bertolt Brecht, dann wundern wir uns jeden Tag aufs Neue, wie aktuell und modern alle seine Texte klingen.
Ein Stück wichtige DDR-Geschichte
Was Carmen Maja-Antoni im BE und um das BE herum, in der DDR und danach alles erlebt, gespielt und geleistet hat, hier wird es auf einfallsreiche Weise beschrieben, gleichzeitig ein Stück wichtige DDR-Geschichte, ein Beitrag zur dringend notwendigen Ost-West-Theatergeschichte in diesem Lande, wo hier einmal nicht nur die Westsicht, sondern auch die Ost-Theatergeschichte gewürdigt wird. Die verschiedenen Phasen des BE nach der Wende werden gut deutlich, hatte man zunächst Brecht und jeden sozialistischen Anspruch grob verdammt, so hat man sich Brecht und seinem politischen Tenor inzwischen doch wieder etwas zugewandt, das hat das Publikum entschieden, im Brechttheater will man nun mal Brecht sehen. Seit Jahren stoßen nun seine kapitalismuskritischen Texte wieder auf wachsendes Interesse.
So wie es ist, bleibt es nicht
Maja-Antoni bringt ihr Buch mit dem ihr eigenen Witz dem Publikum dar und hat gleichzeitig ein Stück Theatergeschichte geschrieben. Noch etwas aber hat sie auch gemacht, sie hat uns klar gemacht, dass wir Brecht heute wieder benutzen müssen, heute, wo die Zeit von überall her spricht: „So wie es ist, bleibt es“, da müssen wir dafür sorgen, dass seine Stücke, die die Veränderbarkeit aller Dinge in den Blick nehmen, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, den krisengebeutelten und angesichts der überbordenden Wirtschaftsmacht resignierten Menschen wieder nahe gebracht werden. Ein Schritt dazu leistet Maja Antoni in ihrem Berliner-Ensemble-Rückblick: “So wie es ist, bleibt es nicht!” Carmen Maja Antoni ist erfreulich wenig eitel, bei einem super Selbstbewusstsein, sie berichtet nie selbstgefällig, meist bleibt sie nüchtern, mit trockenem Witz und schnörkellos. Ihr Herz schlägt für das BE und für Brecht, das wird deutlich.
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