Ausstieg und die Kraft der Selbstermächtigung
Innerhalb von nur ein paar Stunden mobilisierte sich bei der ersten Mahnwache, am 14.3.11 vorm dem Kanzleramt eine Menge von bis zu 2500 Leuten und weitere kamen noch zu 18 Uhr dazu.
16 Uhr:Eine riesige Anlage wird aufgebaut, aber schade, es sprechen nur Promis. Zum großen Erstaunen der Menge, die eben erst richtig aufwallt und einen ununterbrochenen Zustrom zu verzeichnen hat, beendet der Veranstalter überraschend die Veranstaltung.
Die Leute sind ratlos, bleiben aber. Eine Greenpeace-Gruppe am Rande trommelt unbeirrt, für Kerzen ist es noch zu hell, eben erst 18 Uhr, aber die Anlage wird schon wieder eingepackt.
Eine Kette um den Kanzlerbunker
Nun entsteht etwas Eindrückliches, die Menge formiert sich, der Impuls: Bildet eine Kette, innerhalb weniger Minuten wird er aufgenommen, nun reicht sie bereits von einem zum anderen Ende, man brüllt: Keine Angst vor Strahlen, aber Angst vor Wahlen, abschalten, abschalten, “Merkel ins Abklingbecken” ist zu lesen und “Merkel mit Meerwasser kühlen”, und immer wieder einfach nur: Abschalten! Abschalten!
Im Laufe der nächsten 30 Minuten gelingt es, den gesamten Kanzlerblock mit einer gewaltigen Menschenkette einmal zu umkreisen, als die letzten zurück kommen, steht die Kette in einem großen Bogen um den Platz, die Menschen haben keine Ahnung, ob hier noch was angemeldet ist, die zwei Polizisten, die den Weg zum Ufer versperrten, waren schnell überredet, immer neue Leute kommen hinzu, ein Megaphon taucht auf, es erinnert an die alten Erfahrungen,wie es nach Tschernobyl war…
Es ist gut zu sehen, wie sich die Menge selbst ermächtigt, Mut schöpft, aus der Ohnmacht und Trauer eine Kraft macht. immer wieder neue Gruppen kommen hinzu und machen kleine Performances. Rufen, skandieren, halten Fahnen und Plakate hoch. “Sie wollen uns für dumm verkaufen, aber wir sind nicht so dumm, wie sie denken!” steht auf einem. Immer wieder Trauerbekundungen. Rufe nach abschalten, wann,wenn nicht jetzt? fragen die Leute.
Licht aus, Strom sparen
Es dunkelt, der Kanzlerbunker mit seinen Überwachungskameras erstrahlt auf allen Etagen. Die Leute rufen: Licht aus – Strom sparen! Das ist ernst gemeint. Nun stehen viele um Kerzen herum, sie sind plötzlich da, viele haben welche mitgebracht, es werden Trauerbekundungsbriefe, Blumen abgelegt, andere ordnen Kerzen im Radioaktivitätszeichen, immer noch wird getrommelt, der Platz ist voll, obgleich nach dem Verkünden des “Endes” der Veranstaltung viele Menschen schon abgeströmt waren, daher gibt es kein Mikro, die Leute brüllen bis zum Heiserwerden. Wir kommen morgen wieder, hört man, eine Frau schlägt vor, morgen Schlafsäcke mitzubringen. Sie will sich anketten, abseilen, sie will auch jeden Tag kommen. Man könne das nicht mehr hinnehmen, sagt sie. Eine japanische Frau spricht, sie sagt, sie sei einfach weggegangen von Fernseher und Telefon, sie freue sich so über die Menschen der Mahnwache, die Solidarität, etwas tun gegen die Verzweiflung, gegen die Angst. Am späten Abend kommt noch eine Demo heißt es, als diese anrückt, wird sie stürmisch begrüßt, eine Band ist dabei, die Stimmung steigert sich, alle tanzen zu “Stand up, stand up, stand up for your rights” . Ein gutes Gefühl gegen die Ohnmacht.
Die Menschen bilden wieder Kreise um die Kerzen, sitzen ruhig da, rufen: Abschalten! Laut schallt es von den Wänden des Kanzleramts. Man sieht und hört und fühlt es: Umdenken tut not! Der Politiker vor allem!
Seit 14.3. – trifft sich nun jeden Tag vor dem Kanzleramt Berlin eine kleine Mahnwache 18-19 Uhr
Wir sind Unorganisierte, wir sind Leute, die es jetzt nicht zuhause hält, wir denken uns jeden Tag neue Sachen aus, jede und jeder kann dazu kommen, wir wollen jeden Tag nach Feierabend die Gelegenheit geben, einmal am Tag seine Meinung zu zeigen: Trauerbekundung verbunden mit der Forderung nach sofortigem Abschalten aller Atomanlagen! Die Mahnwache ist angemeldet.
Montags: – Immer große Mahnwache – Aufrufe über alle Atomgruppen und -initiativen: 18 Uhr Bundeskanzleramt
Täglich: Kleine Mahnwache 18-19 Uhr