Der Perlmuttknopf – Filmrezension
Der chilenische Regisseur Patricio Guzmán, in den 1970er Jahren berühmt geworden mit seiner Trilogie „Die Schlacht um Chile“, erhielt 2015 bei der Berlinale für „Der Perlmuttknopf“ den silbernen Bären für das beste Drehbuch. Der Film läuft jetzt in den Kinos. Es ist ein poetischer, ruhiger Film, der den Menschen mit dem Kosmos, dem Wasser, seinen Ursprüngen verbindet und dabei doch ein politischer Film bleibt.
Zu Beginn: ein heller Quarzblock, in dem ein 3000 Jahre alter Wassertropfen eingeschlossen ist. Aus dem Off berichtet ein Erzähler, seit er die Sterne erforscht habe, begreife er, welche bedeutende Rolle das Wasser auf der Erde spielt. Es folgen Interviews. Da wird einer der letzten 23 Überlebenden des ausgerotteten Volkes der Patagonier vorgestellt, die einst an der Südküste Chiles, in einem unwegsamen Felseninselgewirr lebten. Martin C. Calderon beschreibt, wie er als Zwölfjähriger allein in einem selbstgebauten Paddelboot Kap Horn umschiffte. 10.000 Jahre lebten die Patagonier als Seenomaden in enger Tuchfühlung mit dem Meer, zogen von Insel zu Insel. Weitere ältere Überlebende werden vorgestellt, man lauscht ihrer ausgestorbenen Sprache.
Vertreibung und Ausrottung
Dazu Bilder und Fotos der mit den ersten weißen Siedlern um 1880 beginnenden Vertreibung und Ausrottung. Die Entwicklung wird in den alten Stichen der ersten Begegnungen, dann den frühen Fotos und späteren Filmausschnitten gut eingefangen. Sind die Gesichter der Indigenen zu Beginn noch klar, gut genährt, wach, so sind sie zunehmend von Verelendung, Krankheit, psychischem und körperlichem Verfall gezeichnet. Am Ende der Satz, den Weißen seien sie schließlich wie Monster erschienen.
Für einen Knopf verkauft
Einer der Ureinwohner wurde einstmals an einen Seemann „verkauft“, für einen Knopf, so dass man ihn Jimmy Button taufte. Dieser Jimmy, erzählt die Stimme aus dem Off, machte durch die Reise in die „Zivilisation“ eine tausendjährige Zeitreise in die Zukunft durch, und als man ihn nur ein Jahr später wieder zurück auf seine Inseln brachte, war er ein anderer Mensch geworden, seine Identität gewann er nie mehr zurück.
Heute nur noch 23 Nachkommen
Erst Allende gab den Feuerländern ihr Land und ihre Würde zurück, eine große Befreiungsbewegung überspülte das Land. Doch das durfte nicht zugelassen werden, finanziert von US-Kapital bombte und mordete sich eine brutale Diktatur an die Macht und vollendete den Völkermord derart, dass heute nur noch 23 Nachkommen indigener Patagonier leben.
1400 Menschen im Meer versenkt
Und ein zweites Mal taucht im Rahmen der Geschichte, die Guzmán über sein Land erzählt, ein Knopf auf: Filmaufnahmen zeigen, wie Taucher in Chile beginnen, nach den Verschwundenen der Pinochet-Diktatur im Meer zu suchen. Mindestens 1400 Menschen wurden systematisch im Meer versenkt. Guzmán lässt das Verfahren mit einer Puppe nachstellen. Den Leichen wurden Eisenträger auf die Brust geschnallt, bevor sie – mehrfach einwickelt – von Hubschraubern aus ins Meer abgeworfen wurden. Dieses Vorgehen kam zufällig ans Licht, als eine Frau angeschwemmt wurde, deren Korpus sich offenbar von diesem Eisenträger gelöst hatte. Ein Rechtsanwalt erzählt, man habe eruiert, dass sie offenbar noch lebte, als die Täter sie schon im Helikopter hatte, sie war dann erwürgt worden, und in aller Eile misslang offenbar die Verbindung des schweren Eisenträgers mit der Leiche. Nach dem Fund wurde der Meeresboden nach Eisenträgern abgesucht. Und man fand viele von ihnen: von Muscheln überzogen, mit dicken Rostkrusten. Taucher holen die Träger, die einzigen Zeugen der Verschwundenen, aus dem Meer. An einem der Eisenträger ist ein Knopf eingekrustet, er hat sich vom Hemd des Opfers gelöst und mit dem Muschelkalk auf dem Eisen verbunden.
Werden immer die Stärkeren siegen?
Beide Knöpfe stehen für Unrecht. „Werden immer die Stärkeren siegen?“ fragt die Stimme aus dem Off. Guzmán begehrt mit seinem Film dagegen auf. Ein kluger, ein traurig-ermutigender Film über die Geschichte Chiles, wie man sie bisher noch nie gesehen hat.