Harry Belafonte – Sing your song Berlinale – Rezension
In „sing your song“ ist es nicht nur gelungen Harry Belafonte einen unvergesslichen Platz in der Welt der Unrechts- und Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer einzuräumen, es ist auch gelungen die gesamte amerikanische Bewegung gegen Rassismus von 1952 bis heute in derart eindrucksvolle Bilder zu bannen, dass das Publikum solch einen wilden Beifall spendete, dass das Dach des kitschig-hässlichen Friedrichstadtpalastes beinahe abhob dabei. Bis dahin hatte ich mir unter Harry Belafonte einen Mann vorgestellt, der kitschige Lieder sang, ich wurde eines Besseren belehrt:
Harry, ein junger Halb-dreiviertel, jedenfalls für die US-Welt genügend Schwarzer, wurde durch eine Eintrittskarte, die er als junger Mann fürs Fensterputzen geschenkt bekam, in ein OFF-Theater gelockt, wo Schwarze selbstbewusst auftraten, dort hatte er ein Erweckungserlebnis und wurde Schauspieler, auf der Bühne kam er zum Gesang, dann zu Auftritten, zum Fernsehen usw. die eigene Geschichte, ein Bilderbuch des Erfolgs seiner Ideen, seines Könnens, ist schnell erzählt. Der Film verwebt dieses Material aber von Beginn an mit hintereinander geschalteten Dokuaufnahmen von staatlicher Gewalt gegen schwarze Menschen. Dazu seine Erzählstimme von einem langen Interview mit der Filmemacherin Susanne Rostock, in der er erzählt, was hinter den Erfolgsbildern lag: Ständige Ausgrenzung, weil er ein Schwarzer war, Auftrittsverbote von seinen „gemischtrassigen“ Crews, Absetzungen von Fernsehsendungen, weil er wagte, sich von einer Weißen berühren zu lassen oder mit weißen Kindern zu lachen.
Politisierung durch Ausgrenzung
Harry, dem seine Mutter, wie er sagte, den Kampf gegen Ungerechtigkeit als wichtigstes Lebensziel ans Herz gelegt hatte, beschreibt nun, wie er sich unter solchem Druck stetig politisierte und darin immer konsequenter wurde. Er beschreibt dies fortan nur noch in „Wir“-Form, wir, womit der alle Schwarzen meint: Wir waren in den Krieg gegen die rassistischen Faschisten gegangen, ohne zu zögern, weil wir dachten, dann wird es auch für uns mehr Rechte geben, das Gegenteil war der Fall, man sieht nun dokumentarische Bilder von Rassenverfolgungen überall im Land. Er nahm dann Kontakt auf zu allen Größen der Protestbewegungen der 60-iger Jahre in den USA, unterstützte sie durch seine Popularität, ging mit ihnen, engagierte sich, das nahm bald den Hauptteil seiner Aktivitäten ein. Er verwandelte aber auch seinen Musikstil, indem er traditionelle afroamerikanische Traditionen einwob, er ließ sich weder entmutigen, noch klein kriegen, im Gegenteil, es scheint, als habe er an Kraft trotz aller Rückschläge immer mehr gewonnen. Das Gegenteil von manchen Radikalen einiger weniger Monate oder Jahre, die sich dann den weiteren Rest ihres Lebens bemühen, immer schön brav zu bleiben, war er, als Aufsteiger in der Starlandschaft, niemals abzubringen von einem steten Kampf gegen Diskriminierung seiner schwarzen Brüder und Schwestern, sei es in den USA, sei es außerhalb.
Eine eindrucksvolle Lebensbilanz.
Dabei ist der Film nie eitel, nie nur auf die Hauptperson bezogen, immer werden alle Kämpfe und historischen Geschehnisse genau beschrieben, ein unendliches Register von Unrecht an Schwarzen, bis heute nicht abgerissen, man sieht einen Filmausschnitt, später das Bild eines fünfjährigen Mädchens, dass von zwei Polizisten in Handschellen abgeführt werden soll, sie quälen sich minutenlang damit, das schreiende, strampelnde Kind zu fesseln, seither engagiert sich Harry B. auch in der Gefangenen- und Gewalt-gegen-Kinderbewegung, überall war er mit auf der Straße und in Protestaktionen beteiligt, Vietnam, Haiti, Irak, der Film zeigt ein Amerika von unten, wie man es lange nicht mehr sah, ein solcher Film hier und Harry säße im Knast, nicht im Friedrichstadtpalast. Das würde er, falls er weniger populär wäre, wahrscheinlich auch in den USA tun. Was ihn populär machte, seine Kunst, seine Schönheit, seine Ausdrucksfähigkeit, sein Eifer, seine Kraft, das wird nicht so wichtig genommen im Film, er ist darin kein einsamer Hero, er ist nur einer, der sich nichts gefallen lassen wollte und sich immer als Teil eines Wir sah, sich mit seinen Schwestern und Brüdern im Widerstand sieht und sah. Diese Bescheidenheit, aber auch der ungeheuer verdichtete Aufklärungswert, machen den Film zu etwas ganz besonderem! Wer bisher im Publikum keinen Lebenssinn in seinem Leben sah und nicht wusste wofür oder wogegen er sich engagieren oder was überhaupt er etwa tun sollte, der mag sich aus all dem, wofür sich H.B. engagierte, nur einen Mosaikstein heraussuchen, dann ist das schon sehr viel. Zusammen sangen alle am Ende, der gesamte Friedrichstadtpalast: All we are singing, give peace a chance!
Sehr gute Info, aber werden Frauen, was den Widerstand betrifft, nicht sprachlich weggedacht , unsichtbar gemacht -muesste es nicht heissen ‘Unrechts- und WiiderstandskaempferInnen?
Es gab die doch die vielen engagierten Frauen – schade, dass sie durch das Maskulinum kont. vereinnahmt werden.
gruesse von Amy