Konrad-Wolf-Filmreihe Retrospektive diesmal in Ost und West – Filmrezension
14.4.12 / jw-Feuilleton
Konrad-Wolf-Retro-Filmreihe diesmal in Ost und West:
Elke Zwinge-Makamizile, Friedensaktivistin und Freidenkerin, diesjährige Initiatorin der Konrad Wolf – Retrospektive, wollte die Filme unbedingt auch im Westen gewürdigt wissen, dazu fand sie das kleine, erst im letzten Jahr von Martin Erlenmaier neu eröffnete Kino: Studio am Bundesplatz. Zusammen mit dem Kino Toni aus dem Osten entwickelte sich dann die Idee eines Ost-West-Brückenprogramms. Über eine Woche wurden fast alle Filme Konrad Wolfs in einer umfangreichen Retrospektive parallel in beiden Kinos gezeigt, weit oben im östlichen Norden Berlins, in Weißensee und weit unten im westlichen Süden. Im Toni lief die Reihe an mit: »Der geteilte Himmel«, Wolfs berühmtester Film von 1964. Am Bundesplatz war er schon zu sehen. Ins Toni kamen Renate Blume, die die Hauptfigur spielte, und Gerhard Wolf, der damals das Drehbuch schrieb – zusammen mit seiner Ehefrau Christa Wolf, deren gleichnamige, 1963 veröffentlichte Erzählung die Grundlage für diesen Film bildete, der vom Verbund Deutscher Kinematheken zu den 100 wichtigsten deutschen Filme aller Zeiten gezählt wird.
Mit eigenen Bildern auffüllen
Am Donnerstag lief am Bundesplatz »Ich war 19«, Wolfs Meisterwerk von 1967 über die letzten Tages des Zweiten Weltkriegs, als sich ein junger deutscher Offizier der Roten Armee, gespielt von Jaecki Schwarz, Berlin nähert – es war Wolfs eigene Geschichte, dessen kommunistische Familie 1933 erst nach Frankreich und dann in die UdSSR emigriert war. Wolfgang Kohlhaase, der gemeinsam mit dem Regisseur das Drehbuch geschrieben hatte, stellte ihn vor. Vom Publikum wurde er mit Fragen bestürmt, die er mit souveräner Leichtigkeit und frei nach Brecht beantwortete. Nein, das sollte damals kein »Russenfilm« werden, auch kein Kriegsfilm, sie hatten ihn mit Bedacht nicht in den Ruinen spielen lassen, sondern wählten für den Höhepunkt des Films, der auf einem Bauernhof nahe der Oder spielt, mit Absicht weites, leeres Land, das Publikum sollte es mit seinen eigenen Bildern auffüllen können. Film als politische Botschaft, die nichts oktroyiert, sondern nur eine Auswahl vieler, möglichst detailgenauer Wirklichkeiten anbietet, aus denen sich der Zuschauer selbst ein Bild machen kann, das war ihr erstes Anliegen gewesen. Menschen zeigen, die sich entwickeln, das zweite.
Du hassest die Menschen nicht, aber du hast Angst sie zu lieben
Diesem Anspruch wurde auch »Sterne« gerecht, der am selben Abend im Toni gezeigt wurde. In diesem politischen Liebesfilm von 1959 erzählt Wolf, wie sich ein deutscher Unteroffizier in eine griechischen Jüdin, die in Bulgarien auf ihren Transport nach Auschwitz wartet, verliebt. »Wir nannten ihn Walter« ist der am Anfang und am Schluß des Films wiederkehrende Satz des Erzählers. Man weiß nicht den richtigen Namen von diesem Menschen, den die Bulgaren nur als »Herr Unter« ansprechen. Sie sehen, wie ihn der Krieg stumpf gemacht hat und wie er durch solidarisches Handeln langsam wieder Gefühle spürt, die keine Hoffnung haben. Als er seine Liebe befreien will, ist der Transport abgefahren, von ihr bleibt nur ein Judenstern übrig. »Du haßt die Menschen nicht«, hat sie ihm gesagt, »aber du hast Angst, sie zu lieben, denn das bedeutet, daß du etwas für sie tun mußt«. Als er sie verliert, beginnt er, für den Untergrund zu arbeiten.
Angel Wagenstein (Drehbuchautor “Sterne” und geladener Zeitzeuge) bedankte sich beim Publikum: “Solange noch Menschen wieder diesen Film anschauen mögen, sagte er, kann die Welt noch nicht ganz ohne Hoffnung sein.”
Das gesamte Programm läuft Ende des Monats April 2012 auch noch einmal im Kino Babylon Mitte. 18.4.. Samstag, 17 Uhr im Toni: »Genesung« mit Florian Martens und Heinz Kersten; Sonntag 17 Uhr im Toni: »Lissy« mit Frank Hörnigk und Laurenz Demps, 19 Uhr »Professor Mamlock« mit Hilmar Thate und Oksana Bulgakowa; Samstag am Bundesplatz 20.30 Uhr: »Solo Sunny« mit Eberhard Geick, Dieter Montag und Regine Dobberschütz; Sonntag 20.30 Uhr »Sterne« mit Angel Wagenstein und Ralf Schenk