Museumsnacht ohne den alten Fritz
Neulich zwängte ich mich in enge Busse und machte einer jener sagenumwobenen Museumsnächte mit, für die ich bisher immer zu müde gewesen war. Ich hatte mir dabei aber ein eigenes Ziél vorgenommen: Ich wollte herausfinden, ob es auch Museumsaktivitäten “gegen den Strom” gibt und siehe da, ich bin fündig geworden.
Wenn auch nur am Rande und nach längerem Suchen. Zunächst nur: „Unser preußischer König Friedrich der Zweite, der Große, der Alte… allgegenwärtig“ , so hieß im Museumsheft, so sah man ihn gegen den Mond einer fernen Zukunft friedlich entgegenreiten, obgleich es doch säbelklappernd war. Glaubt man dem heutigen Säbelrasseln, den Drohungen, den vielfältigen Kriegsvorbereitungen, dazu der Banken- und Börsenpropaganda, so hat man solche Geister bald wieder bitter nötig um dem Volk, was in den Bussen von Museum zu Museum transportiert wird, Sand in die Augen zu streuen.
Ich habe mich also auf die Suche nach Alternativen begeben, mich dazu aber trotzdem in die Busse gesetzt. Neben mir eine Fußballschal-Familie, Mutter mit zwei erwachsenen Söhnen und einem Mann, der kaum älter als die Söhne zu sein scheint, sie ostberlinern herum und sprechen über Literatur, das beginnt, als wir beim Anne-Frank-Haus vorbeikommen. Das sei ein gutes Buch, sagen sie, das hätten sie in der Schule gelesen, das sei eine Widerstandskämpferin gewesen, dann geht es los, sie erzählen von Fallada, Gorki, Tschechov, Brecht, Heine, Lessing und Nathan, wir haben in der DDR immer viel gelesen, sagt die Mutter, die hier die Chefin zu sein scheint, noch recht jung, wirkt fast wie eine Freundin der Jungen, das muss man vorleben, sagt sie! Die Männer haben Bierflaschen bei und erzählen vom Stadion, wo die Bälle rollen, aber auch vom Kapitalismus, der keine gute Zeit habe. Er könne sich nur noch durch Kriege retten, das sei eine schlimme Entwicklung. Die Familie fährt leider nicht bis zum Friedhof der Märzgefallenen, wie ich, sondern steigt vorher aus: Computermuseum um Kriegsspiele anzugucken, so widersprüchlich ist die Welt.
Die Paulskirche war ein Trick
Auf dem kalten Friedhof liegen die 200 Opfer der 1848-Repression, mit einer Taschenlampe werden wir herumgeführt, im dabei stehenden Kontainer wird die Geschichte des Widerstands, unsere Geschichte erzählt, zu deren Erben sich allerdings vordergründig die Parlamentarierder bürgerlichen Parteien erklären, die aber nichts als das Scheitern der Parlamente zeigt, der ewigen Quatschbuden und Handlungsverzögerer. Eine gute Zusammenstellung von Informationen auf großen Tafeln, man sieht genau, wie überall in den kleinen Dörfern die Rebellionen aufflammten, deren Anlass jeweils war: Übergroße Not und Wut auf die Arroganz und Gewalt der herrschenden Mächte, die Lehren kann man selber ziehen, überdeutlich wird: Die Paulskirche war ein Trick, die Kraft des Widerstands umzulenken und zu brechen, das hat am Ende sogar Robert Blum erkannt.
Robert Blum: Ehrlich an Parlamente geglaubt
Mehrere Filme werden gezeigt, einer aus den siebziger Jahren, durch den sprachlich und inhaltlich der Hauch einer revolutionären Zeit zieht, dann ein breiter Defafilm, und einer über Robert Blums Tragödie, man sieht, wie er knieend unter dem Kugelhagel einer Exekution mit hoch erhobener Faust stirbt, wie lange hatte er ehrlich ans Parlament geglaubt und damit die hungernden Menschen enttäuscht, am Ende hat er noch in Wien mitgekämpft, doch es war zu spät. Das revolutionäre Gewalt sich immer zunächst als eine Gegengewalt formiert, wird tragisch deutlich, und auch, dass Macht ihre Gewalt nie mehr freiwillig aus der Hand gibt, ihre Inbrunst, sie zu halten, wird je größer, desto mehr sie daran verdient und je grausamer, desto mehr sie zu verlieren hat. Diese Lehre auf heutige Verhältnisse angewandt, kann einem Angst und Bange machen. Am Ende nichts als Scheitern. Ein Gefühl bleibt zurück, dass Aufstände in Deutschland ab Anfang der Zeitrechnung immer vergeblich gewesen waren. Doch immerhin gab es sie und sie waren auch nicht eben selten. Den Menschen kann man es einfach nicht abgewöhnen sich aufzulehnen, man kann diese Kraft zur Auflehnung nur umlenken, täuschen, in Kriege hinein kanalisieren. Das ist in Deutschland jedenfalls meisterhaft gelungen
Die Widerstandsfrauen: Ohne Angst ums eigene Leben
Danach geht’s durch die ganze Stadt, ans andere Ende, in die Villa Oppenheim, nach Charlottenburg, dort ist die Ausstellung „Widerstandsfrauen“ zu sehen. Frauen, die sich im Faschismus in einem bestimmten Gefängnis trafen, bevor sie unters Fallbeil, selten überlebt haben. Eine alte Sozialdemokratin war dort die Leiterin und die Stimmung war nicht ganz so grausam wie sonst überall. Mag zwar die Rehabilitierung einer Justizvollzugsanstaltsleiterin unter den Nazis oberflächlich das Ziel der Ausstellung gewesen sein, wer auf den Tafeln nachliest, sieht eine Armada mutiger Widerstandskämpferinnen beschrieben, deren alle sich fortschrittlich, aufgeschlossen und ohne Angst ums eigene Leben, dem Irrsinn der Staatsgewalt entgegengestellt haben, im großen Netzwerk der von den Nazis so benannten „Roten Kapelle“ . Verblüffend: Die sahen alle aus wie wir, wirken kein bisschen altmodisch, haben nichts Steifes und Verkrampftes in ihren Gesichtern, man sieht sie mit ihren Freunden in Booten, sie leben in freien Beziehungen, gehen neben ihren Jobs in Abendschulen, studieren dann manchmal noch hinterher, Kunstgeschichte, Pädagogik, Philosophie, sie leben mit Arbeiterinnen zusammen.
Die hätten uns alle gute Vorbilder sein können
Diese hier waren jedenfalls emzipierte, aufgeschlossen denkende Menschen, sie hätten, wären sie am Leben geblieben, gute Vorbilder sein können, mit ihnen hätte es in den 50/60-iger Jahren vielleicht nicht diesen spießbürgerlich zwanghaften Rückschritt, das Verharren in autoritären Strukturen, die Verdrängung der Staatsverbrechen, den Recht- und Ordnungssinn, den Antikommunismus und die Verknöcherung des sogenannten Real-Sozialismus gegeben. Oder besseren Widerstand dagegen. So viele Frauen, so viele Lebensläufe von Widerstandskämpferinnen, bis ein Uhr nachts kam ich nicht durch, äußerst lohnenswert anzuschauen, im oberen Stockwerk der Arbeitermaler Baltuschek, eins seiner schönsten Bilder: „Zur Grube“, zeigt dunkle Gestalten, die einerseits Unterdrückung, andererseits auch die Kraft der Menge versinnbildlichen, die sich nicht ewig beugen wird.
Auch im Museum gibt es durchaus Kultur gegen den Strom
Es gibt gute Ausstellungen in Berlin, man muss sie jenseits des Mainstreams suchen, man muss ihren Gehalt hervorklauben aus dem, was man an Farbe darübergestrichen hat. In der Topografie des Terrors wurde die Kinderermordung thematisiert, Rembrandts Zeichnungen im Kupferstichkabinett zeigen Wahrheit und Leidenschaft in Kinderaugen und Kindergesichtern. Kunst als ein Akt des Widerspruchs zur herrschenden Allgegenwart von Dummheit und Zerstreuung, hat sich nur dadurch immer wieder erhalten und neue Generationen immer wieder mit Mut und Hoffnung belebt. Darauf sollte man schauen und so seinen eigenen Rundgang durch die Museen gestalten. Sehr zu empfehlen auch das Kreuzberger Stadtmuseum (U-Bahnhof Kottbusser Tor), dass ausgesprochen originell die Geschichte eines typischen, schon traditionellen Arbeiterbezirks belegt, dazu eine Dokumentation der Hausbesetzerkämpfe und das Aufdecken ihrer Menschen- und Anwohner- freundlichkeit, der Entwicklung ab den 60-iger Jahren nimmt einen großen Raum ein, danach ins Cafe Kreuzberg oben drüber, wo man Wandzeichnungen von Einheimischen bestaunen kann. Viel Spaß!