Offside von Jafar Panahi Berlinale – Rezension
Nachdem Jafar Panahi nicht als Jurymitglied der Berlinale zugelassen wurde, entschloss man sich im Rahmen der Berlinale zu einer Sondervorführung am Freitag Nachmittag um 16.30 Uhr und weiteren drei Aufführungen des gefangenen iranischen Filmemachers.
Es hieß, eine Protestveranstaltung, es war aber eine ganz normale Kinovorführung, eingangs erinnerte einzig der Filmemacher Rafi Pitts an den freien Stuhl und seinen Freund Jafar, mit dem er vor vier Jahren im selben Saal saß. Der Film ist keine Premiere sondern ein Zeichen, wenngleich man ihn auch hierzulande nicht eben häufig bisher zu sehen bekam. Er wäre nämlich, aufgrund des darin vorkommenden positiven Fußballwahns sehr gut geeignet, in manchen Dumpfprovinzen Deutschlands Vorurteile aufzubrechen.
Komödie entschärft die Tragödie
Im Iran ist alles Tragödie, man entnimmt es den Zeitungen, die über anderer Länder Diktaturen immer sehr ausführlich berichten, ausgenommen der mit uns verbündeten, in diesem Falle betrifft es aber das Leben des Regisseurs selbst, er sitzt im Gefängnis, er mag noch so sehr zugeschaltet sein, er hat von all dem Glimmer nichts, einige internationalistische Solidaritätserklärungen in Bezug auf die anderen Gefangenen, proklamieren von Frauenrechten wären auch sinnvoll gewesen, aber vielleicht wurde das auch bewusst weggelassen, um ihn noch „herzuholen“, wie seine Kollegin Isabella Rosselini verlauten ließ, sie habe die Hoffnung, er werde noch vor Ende des Festivals freigelassen. Das Problem wird sehr singulär behandelt.
Milde statt Blutdurst
Tatsache ist, Jafar Panahi, der sich gestern mit kämpferischen Worten selbst zu Wort meldete, hat der iranischen Tragödie eine Komödie entgegengesetzt. Eine Komödie, in der der Fußball den Sieg davon trägt und das hält, was sonst oft nur versprochen wird, nämlich, dass er menschenverbindend wirkt, Toleranz statt Konkurrenz weckt, milde statt Blutdurst weckt, getreu seinen eindrucksvoll geschriebenen Worten in seinem gestrigen Brief. „Als sozialkritischer Filmemacher“, schrieb er, beschäftige er sich mit den Problemen und alltäglichen Sorgen seiner Landsleute, wenn das ich jetzt auch verboten sei, so mache er in seinen Träumen weiter und siehe da, er wünscht sich das auch von den anderen Filmkollegen, Kunst nicht um der Kunst, sondern um der humanistischen Aussage willen: „In meinen Träumen schreie ich nach einer Welt in der wir uns gegenseitig tolerieren und unsere jeweiligen Meinungen respektieren… Ich stelle mich der Wirklichkeit der Gefangenschaft, aber ich werde nach den Manifestationen meiner Träume in euren Filmen Ausschau halten: In der Hoffnung, dort das zu finden, was mir genommen wurde.“
Das Fussballspiel schafft Menschlichkeit
Seine Komödie entwickelt sich langsam, zunächst ist die Athmosphäre eher bedrückend und man wundert sich weniger über den Mut, als vielmehr über die Unbedarftheit der Protagonistinnen, die eine nach der anderen in einem abgetrennten kleinen Arreal von Soldaten „gefangen“ gehalten werden, der sie überantwortet wurden, als man sie entdeckte. Die Frauen diskutieren auch mit den Männern, diese schießen auch nicht gleich, wie man sich das hier so vorstellt, sondern kommen auch vom Land und repetieren die ihnen eingebläuten Dummheiten der an den Haaren herbeigezogenen Begründungen für den Frauenausschluss beim Fußballspiel, dabei sitzen die als Männer verkleideten Frauen und die Soldaten jeweils hüben und drüben verschiedener Gitter. Doch das Spiel selbst diktiert den Fortgang und macht den Film, je weiter er vorankommt, immer komischer. Mit der Spannung des Spiels wächst die Spannung im Film und mit der explosiveren Entwicklung des Spiels in besonders den letzten drei Minuten, explodiert scheinbar auch der Film, es kommt zu einer allgemeinen Übersprungshandlung und eine nicht vorhersehbare Wendung beendet den Film. Man kann sagen, Jafar Panahar wird seinen eigenen Ansprüchen, wie er sie im entfernten Gefängnis gestern formulierte, sehr gut gerecht, wir hoffen mal, dass man dies zumindest auch von einigen der anderen Filme auf der Berlinale noch wird sagen können. Der rote Teppich, zu dem der Zutritt durch Polizei versperrt ist, die Hofierung der Reichen in den bombastischen Glasgebäuden, der ganze Glimmer und Glitter, spricht eine andere Sprache, die der Arroganz und der Intoleranz der Mächtigen.