V Subboto – Tschernobyl-Drama – Berlinale – Rezension
V Subbotu von Alexander Mindadze: An einem Samstag: Die Bilder des zerstörten und innerlich glühenden Reaktors wirken bei Sonnenschein und Maifeiern, mit lachenden und trinkenden Menschen harmlos, keiner kann, keiner will glauben, was „Jonny“, der ehemalige Schlagzeuger der Musiker aus der Elektrikergruppe von Block 3, sagt, der plötzlich in der Tür steht und wie geisteskrank wirkt.
Lange war er schon nicht mehr gekommen, denn er hatte sich „oben“ angebiedert, hatte die Kumpels verraten, weshalb sie noch eine offene Rechnung mit ihm haben. Er war zur Partei gegangen und da hatte er es auch her, was er wusste; hatte dort ein Gespräch belauscht, dass es ein Gau sei, was als Brand verharmlost wurde. Wie in Hiroshima, hatte es geheißen, aber stiller war es verlaufen, jedenfalls bisher.
Schuhe und Feiern
36 Stunden nach dem Erkennen der Kernschmelze begann die Evakuierung in Tschernobyl, (wie lange würden wohl unsere Politiker mit einer Evakuierung warten?), bis dahin feierten die Menschen, als erwarte sie am anderen Tag das Jüngste Gericht. Davon handelt der russische Film „V Subbotto – An einem Samstag“. Es beginnt mit dem geradezu manischem Rennen der Hauptperson, des Ingenieurs , der die Nachricht gehört hat und nun unklar den Impuls zu rennen in sich fühlt. Man sieht ihn in der Nacht durch leere Straßen und über eine Brücke laufen, dann in der Stadt, schlafende Häuser, die ganze Nacht hindurch rennt er, fällt ins Gras, stolpert, springt wieder auf, rennt weiter.
In den glühenden Kern geschaut
Gegen morgen begegnet ihm ein höherer Parteifunktionär, der verwirrt davon redet, dass man nun nach oben käme, da die Oberen fallen würden, denn das hieß doch, könne nie sein, er aber habe es mit eigenen Augen gesehen, von oben herab habe er in den glühenden Kern geschaut, habe es gesehen, eindeutig, ein Supergau, drei mal Hiroshima, der Mann bricht hustend zusammen, Jonny rennt weiter. Als der Morgen anbricht, sucht er eine Frau in einem Wohnheim auf, als er sie gefunden hat, greift er sie, zum Bahnhof, schnauzt er sie an, wir müssen zum Bahnhof, sie will erst nicht, aber weiter rennen sie zusammen, man sieht ihre Schuhe. Der Frau aber bricht ein Absatz ab, der Zug fährt ohne sie ab und der nachfolgende Verlauf des Tages und der nächsten Nacht ist ein ununterbrochenes apokalyptisches Feiern, Tanzen, Saufen und Prügeln. Am Ende findet er sich auf einem Schiff wieder, in das seine Saufkumpanen ihn geschleppt haben und mit aufwachendem Bewusstsein fällt sein Blick auf den zerborstenen Reaktor, der wie eine Höllenerscheinung über ihm auftaucht.
Eindrückliche Bilder, dramaturgische Schwächen
Der Film ist leider ein Beweis dafür, dass eine gute Filmidee noch keinen guten Film ausmacht. Eindrücklich die Bilder, der Anfang mit seinen bestürzenden Szenen, aber viel zu langatmig und darum langweilig sind die zermürbenden Wiederholungen des Rennens, des Saufens, des Tanzens und all der apokalyptischen Zuspitzungen der sich immer mehr über die Katastrophe bewusst werdenden, aber sie verdrängenden Massen. Deutlich wird, sie sind nicht nur betrogen, sie sehen auch keine Hoffnung mehr für sich, deshalb fliehen sie nicht. Aber im Film fehlt die dramatische Kurve, die das Ganze wieder zusammen fügt, so bleibt Dumpfheit und Trübsinn und unendliche Schwere. Schade.