Ziemlich beste Freunde – Rezension
`Ziemlich beste Freunde´ ist eine Filmkomödie der Regisseure Olivier Nakache und Eric Toledano mit Francois Cluzet und Omar Sy, die momentan in Paris Bestnoten einfährt. Kunststück, der Film ist ein Klassenversöhnlerfilm, denn der reiche Körperbehinderte freundet sich mit dem schroffen, schwarzen Proletarier der Pariser Banlieue an und beide lernen dabei fremde Welten kennen. Der,wie Millionen anderer Proletarier, seit Langem schon Beschäftigungslose, will sich nur seinen Ablehnungsstempel holen, da kommt der behinderte Millionär auf die Idee, dass dies der einzige Mensch ist, den er ertragen kann, da alle anderen vor Mitleid zerfließen und ihm daher zum Speien über sind.
Die Welt aus der Behindertenperspektive
Das Anfreunden beider führt dazu, dass die Zuschauer die Welt aus der Behindertenperspektive kennen lernen, leider aus einer so reichen, überzeichneten Perspektive, dass das Ganze streckenweise zum Hollywoodkitsch verkommt, was sehr schade ist, denn der Film enthält neben dem klassenversöhnenden auch etwas die Klassen sprengendes, nämlich ein wirkliches Annähern beider Welten mit einem Überwinden von Vorurteilen in bezug auf Behinderung und Nichtbehinderung, schwarz und weiß und Ober- und Unterschicht. In Unbefangenheit und mit Neugier werden die jeweilig sich fremden Welten geöffnet und dem Publikum zugänglich gemacht. Die Welt des arbeitslosen Banlieue-Jugendlichen wird dicht und trotz nur kurzer Einstellungen intensiv sicht- und erkennbar. Und das keineswegs denunzierend. Er selbst und sein Lebensstil ist direkter, aber moralisch und kräftemäßig nicht weniger großartig als all der reiche Glitzer und Glimmer um ihn herum, so dass hier eindeutig gegen das Vorurteil gearbeitet wird, dass diese Jugendlichen von Natur aus verhaltensgestörte Jungkriminelle seien, die rausgeworfen gehören. Auch dass die Verhältnisse den Menschen prägen, (die Mutter rackert von früh bis spät und kommt doch nicht hin mit dem Geld) wird klar und dass daraus aber trotzdem Würde, Mut und Kraft wachsen kann. Und auch die Kälte in reichen Häusern wird ansatzweise klar, denn viel lieber würden die lieben Verwandten den Behinderten ins Heim stecken oder gleich ganz los sein. Die Millionärsathmosphäre ist allerdings grässlich und bedient die Wünsche und Sehnsüchte aller Yellowpress- Leserinnen und Leser und schürt Illusionen.
Psychologisch lehrreich
Für Menschen, die behinderten Menschen bisher noch kaum nahe gekommen sind, den Begriff `assistieren´ nur vom Hörensagen kennen, kann dieser Film durchaus menschlich und psychologisch lehrreich sein. Problem ist nur die fehlende Übertragbarkeit. Auch die Sympathie, die dem Proletariat, heute oft Prekariat genannt, hier zuteil wird, wirkt zwar einerseits Vorurteilen entgegen, bedient aber auch das Modell des einen heldenhaften Herausragers aus seiner Klasse. Denn nur selten, das ist schon mal klar, wird es sich dabei so günstig fügen, dass der Assistent durch seinen Arbeitgeber ebenfalls zum Millionär wird, wie hier geschehen und im Abspann zur Bekräftigung auch noch als dokumentarisch aufgedeckt wird. Dei beiden Freunde und die ganze Storry hat es wirklich gegeben, was ja schön für die beiden ist, die Realität des Assistierens, des Lebens mit Behinderung, sowie den Widerspruch zwischen Bourgeosie und Proletariat aber natürlich nicht trifft, sondern durch den Sozialkitsch des “lieben” Reichen leider eine Übertragung auf die Realität verhindert.
Für beide Klassen etwas und doch auch Tiefe
Und daher bleibt die an sich gut gemeinte und gut gedrehte und auch einfühlsam-witzige Geschichte, in der zwei benachteiligte Gruppenvertreter aufeinander treffen und sich gegen den Rest der Welt verbünden, sozusagen auf halben Wege stecken, sie enthält einerseits für beide Klassen positive Identifikationsebenen, die vielleicht sogar ansatzweise klassenüberwindend sein könnten, sie bleibt aber ein trotzig modernes Märchen, dass nur deshalb in die Kinos gefunden hat, weil die Welt der Reichen hier eine ungeheure Glorifizierung erfährt. Uns so nährt sie natürlich Tellerwäscher-Illusionen und die liebt das Volk besonders in solchen Zeiten des harten Gegenwindes eines allseitigen Sozialkriegs, den die kleine herrschende Klasse der Bänker und Multimilliardäre den anderen längst erklärt hat.
Klassenversöhnlerisch, aber trotzdem sehenswert, denn es wird sich über keine der benachteilgten Gruppenvertreter abfällig lustig gemacht, stark und witzig sind die Szenen der gegenseitigen kulturellen Annäherung gestaltet, am stärksten die, wo der Assistent bei einer Feier “seine” Musik vorführt und später bessere Bilder, als in jedem modernen Museum zu sehen sind, malt. Und natürlich die Freundschaft der beiden, die durchaus Tiefe und Entwicklung besitzt.