Zur Frauenbewegung
Beginn mit Tomatenwurf
Die jüngere Frauenbewegung begann 1968 mit dem Tomatenwurf und strebte im Rahmen linker Gedanken von Gleichwertigkeit und Solidarität die Übertragung dieser Forderungen auch in die privaten Beziehungen zwischen Mann und Frau an. Damit verbunden war untrennbar: Mehr öffentliche Präsenz von Frauen in Beruf und Politik. Keine Zuarbeiter-, Hilfsarbeiter-, kleine Angestellte- oder Lückenfüllerberufe bis zur Heirat, sondern angestrebt wurden lebenslange berufliche Aufgaben, Konzepte, Wirkungsbereiche, „Karrieren“. Nicht primär um Geld zu machen, da waren die neuen Frauen rollentypisch bescheiden, sondern sich sinnvolles Leben zu erarbeiten versus: Mann, Kinder, Küche.Mit dem Zweiten konnten die Genossen noch mitgehen, wenigstens theoretisch, mit dem Ersten ergaben sich diverse Schwierigkeiten, da damit verbunden war, rollentypische Privilegien aufzugeben.
Es befreien sich noch andere Wahrheiten
Im Zuge dieser kettensprengenden Ideen befreiten sich auch andere Wahrheiten, zB die von dem Recht der Frau auf ein eigenes, selbst bestimmtes, erfülltes Sexualleben. Nicht eins, das der Mann festlegte, nach dem Motto: „Ich weiß gar nicht, was du hast, es hat Dir doch Spaß gemacht!“, sondern eines, wo ihre Wünsche gesehen, beachtet und berücksichtigt werden. Das erforderte zunächst Selbstbefreiung. Durch Freud erfuhren wir von den Fesseln des Ichs, die wir sprengen wollten, Jahrhunderte, Jahrtausende hatten andere über Frauen bestimmt, meist Männer. Da konnte nicht viel Selbstbewusstsein wachsen. Bei Bebel erfuhren wir, dass es vor dem Patriarchat eine Frauengesellschaft gab, erst langsam kam auch unsere Geschichte ans Licht. Großes Ziel wurde uns Echtheit und Wahrheit in den Gefühlen, wir wollten nicht mehr heucheln! Es kam zu viel Streit und Partnerbrüchen. Wir kämpften! Wir verloren. Manchmal gewannen wir auch, meist in Frauenbeziehungen. Es sollte kein Spiel mehr auf Kosten von Frauen sein, sondern ein gleichberechtigtes, freundschaftliches Verhältnis freiwilliger Liebe, die sich unkonventionell band und leicht wieder trennen können sollte. Zuviel Fesselung, zuviel Enge hatten wir in traditionellen Beziehungen gesehen, erlebt, erlitten. Diese hatten Gewalt im Schlepptau mit sich geführt. Gewalt gegen Frauen und Kinder. All das wollten wir verändern. Das war die Frauenbewegung.
Die Gefühle verändern sich
Mit dieser Bewegung entdeckten Frauen ihre Gefühle auch für Frauen. Ihr Verhältnis zu diesen war bisher von Misstrauen und Konkurrenz bestimmt gewesen. In der Jagd auf den Mann, der nach dem Krieg zunächst rar gewesen war, hatten sie einander lange Zeit nicht vertraut. Nun wandten sie sich einander zunächst mädchenhaft, dann freundschaftlich, schließlich in Liebe zu. Die daraus sich entwickelnden Verhältnisse wurde zunächst gar nicht als „lesbisch“ empfunden. Liebe war frei, sie durfte sich dem und jener zuwenden. Die daraus sich entwickelnden Lesben wurden rückblickend „Bewegungslesben“ genannt, da sie mit dieser Bewegung entstanden waren. Sie definierten sich nicht männlich. Sie sahen ihre Gefühle für Frauen als die bessere Alternative und eine freiwillig gewählte Entscheidung an, auf die sie stolz waren. Es kam zu einer Aufwertung des Femininen, die streng gebundenen Frisuren wurden gelöst, der Dauerwellen-Friseurterror gelockert, die Haare wurden offen und lang getragen, das färbte selbst auf die Männer ab. Die Männer begannen die militaristischen Kurzhaarfrisurschnitte ihrer Eltern zu boykottieren und ließen die Haare wachsen. Da zeigte sich erstmalig: Die Menschen sahen natürlicherweise viel verschiedenartiger aus, als es die Rollenmuster vorgaben. Gleichzeitig verwischten sich die äußeren Unterschiede zwischen Mann und Frau, es entstand etwas Neues, dass sich am Femininen orientierte und nicht den Patriarchatsnormen nachstrebte. „Mensch sein“ war angesagt. Dazu übten Frauen sich in Durchsetzungsfähigkeit und von Männern wurde Einfühlungsvermögen, Zärtlichkeit und Weinen können eingefordert. Pornographie wurde als Trennung und Entfremdung des Körpers von der Liebe gedeutet und als billiger, unbefriedigender Trost der Ungeliebten bedauert. Die in diese Richtung sich entwickelnden Medien wurden als „Frauen benutzend“ abgelehnt und auch öffentlich kritisiert.
Keine Entfremdung mehr, kein Benutzen von Menschen
Entfremdung, Benutzen von Menschen zu bestimmten, von anderen auferlegten „Zwecken“ ist dem kapitalistischen System immanent, so war also die Frauenbewegung sowohl in ihren privaten wie in ihren öffentlichen Aussagen und Handlungen systemkritisch und berief sich dabei auf Simone de Beauvoir, auf Marx, Bebel, Freud und Fromm, dessen Buch „Die Kunst der Liebe“ die Verbindung von Liebe und Macht, das „Benutzen“ des anderen als eine Verdinglichung beschrieb, die der Liebe widersprach. Später gebar die Bewegung eigene Forscherinnen wie Luise Pusch, Arienne Rich, Audre Lourde uvm., sie alle repräsentieren bis heute die neue Frauenbewegung, die kapitalismus- und patriarchatskritisch war.Zahllose dieser Frauen lebten in Frauenzusammenhängen, was offen ließ, mit wie vielen Frauen welche zusammen lebte, zahllose begannen auch erotisch-sexuell Frauen zu lieben. Sie bemerkten, dass es manchmal dazu nur einen kleinen Schritt brauchte, den sie problemlos bereit waren zu gehen.
Lesbisch statt Frauenliebend?
Als sich erstmalig einige dieser Frauen als „lesbisch“ bezeichneten, mit einem Wort, das für eine unabänderliche Persönlichkeitseigenschaft steht, die wir nicht selbst ausgesucht und entschieden haben, da gab es einen Bruch mit den Frauen, die das vielleicht mal leben, aber nicht für immer „sein“ wollten. Dabei wurde die Selbstbezeichnung „lesbisch“ fortan stolz und laut, auch öffentlich und durchaus als politische „Entscheidung“ begriffen, geäußert. Die Gesellschaft reagierte entsprechend: „Die mörderischen Lesben“ titelte sie den sich befreienden Liebes-Strukturen entgegen und die Lesben wehrten sich durch öffentliche Auftritte. Das war der Punkt, an dem es zu einer „Spaltung“ in der Frauenbewegung kam und die „Lesbenbewegung“ aus ihr hervor ans Licht der Öffentlichkeit trat. Diese Frauen sahen „lesbisch leben“ sowohl als politisch klarer gegen das Patriarchat gerichtet, als auch als eine schönere, und angenehmere Lebensform an. Als sie begannen, sich selbst als „lesbisch“ zu bezeichnen, tappten sie in eine Falle: denn „lesbisch“ als Bezeichnung für eine unabänderliche und schon immer in ihnen festgelegte Persönlichkeitseigenschaft, wurde nun zu etwas, dass nicht selbst ausgesucht und bestimmt war, damit verlor es auch seine politische Aussage und statt Patriarchatskritik entwickelte sich Patriarchatsnachahmung und Orientierung an männlicher Sozialisation. Da trafen sie sich auf dem Markt der Möglichkeiten sehr schnell mit den Frauen, die gar nicht politisch waren, aber schon immer lesbisch gefühlt hatten. Diese waren eher männlich sozialisiert, männlich identifiziert, lebten im Butch-Femme-Muster und fanden Frauen zickig. Die „Bewegungslesben“ wurden dort nicht sofort akzeptiert, sie wurden sogar zunächst nicht ernst genommen, da man sich selbst als die wahren Lesben empfand, denn sie empfanden das Lieben von Frauen nicht als befreiend oder freiwillige Entscheidung, Gleichwertigkeit lebend, sondern als biologischen Fluch, dem sie nicht ausweichen konnten.
Die Gefahr der patriarchalen Identifikation
Diese Entwicklung hat die Frauen- und Lesbenbewegung wieder auseinander gebracht. Fortan wurde nicht mehr gegen Pornographie gekämpft, sondern es wurde als etwas Mutiges betrachtet, sich zur Lust auf Pornos zu „bekennen“ (eine ganze Industrie lebt heute davon), fortan wurde Frauenbefreiung nicht mehr angestrebt, sondern dass eine für einen den Kaffee kocht und den Haushalt führt, gern hingenommen. „Lesbisch“ wurde wieder zu etwas, was es schon immer und seit jeher gewesen war, eine Zuschreibung, eine unbewiesene Behauptung, eine unabänderliche, angeblich schon vom Kindesalter herrührende, biologisch begründete, quasi ererbte Charaktereigenschaft, die dem Weiblichen ebenso scharf entgegensteht, wie das männliche und damit mit jenem viel mehr Gemeinsamkeit besitzt. Die daraus sich allmählich und unmerklich vollziehende Wandlung der „FrauenLesbenBewegung“, ihr Verschwinden gar, die Annahme von Verhaltensweisen in Richtung eines die männliche Herabwürdigung von Frauen nachahmenden Kodexxes, das Frauen nur „benutzt“ und sich in herkömmliche Rollenmuster festlegt, führte bald auch zur freiwilligen Abkehr vom femininen Prinzip in allen äußerlichen Attributen. Die Haare fielen und „männliche“ Eigenschaften feierten fröhliche Wiederkehr: Arroganz, Anzug, Krawatte, Härte, Schroffheit, Gefühlskühle. Das stieß auf Erschrecken und Abwehr und fand unter den übrigen, nun als „heterosexuell“ titulierten Frauen keine Akzeptanz mehr.
Zwangsheterosexualität als gesellschaftlich bestimmt
Heterosexualität ist ein ebenso künstlich zugeschriebener Begriff, denn bei keinem unter den zahlreichen Lebewesen der Erde ist, wie wir neuerdings wissen, Gleichgeschlechtlichkeit ausgeschlossen, wie es dieser Begriff suggeriert. Sind wir soweit abgekommen von den Ursprungsideen, dass wir lieben dürfen sollten, welche wir und wen wir wollen? Immer? Und immer entscheiden von Fall zu Fall und Gesellschaft zu Gesellschaft und politischer Situation zu politischer Situation? Offenbar. Und angekommen in einer Biologie, die von der Biologie längst überholt wurde. (In Oslo wurde 2008 in einem Museum die größte Forschung über gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten unter Tieren gezeigt. Es zeigte sich, dass alle Tierarten Gleichgeschlechtlichkeit in einem starkem Maße praktizieren. Zum Teil kommt es bis zu 60 -90 % in einer Population vor und wird als natürliche Variante des Liebesspiels angesehen, was den Theorien, dass Sex nur der Fortpflanzung dient, Hohn spricht, im Gegenteil, es dient der Fröhlichkeit, der Harmonie, des Gruppenzusammenhalts in einer Gemeinschaft, der Lust als Triebabfuhr)
Solidarität aufgegeben?
Die Solidarität wurde auf beiden Seiten aufgegeben. Den Frauen, die Frauen geliebt hatten, weil es diese besondere Frau gewesen war, die ihnen begegnet war, woraus sich Begehren als Form der Liebe abgeleitet hatte, standen nun denen mit Unverständnis gegenüber, die Frauen vor allem wieder als Körper begehrten, und damit sich wieder dem Patriarchat näherten, Männern nacheifernd, sich ihnen am ähnlichsten fühlend, da Frauen zu sein Demütigung bedeutet hatte. Seinen Höhepunkt fand dies, als eine der berühmtesten Bewegungslesben sich zum Mann umhormonisieren ließ und öffentlich verkündete, wie es „ihm“ nun viel besser ginge. So kann man das Problem der Gleichberechtigung für sich persönlich natürlich auch lösen: Ahme den Mann nach und du hast keine Sorgen mehr! Dass dies die Frauenbefreiungsbewegung überflüssig macht oder ersetzen kann, weigere ich mich zu glauben. Und das Frauen, die Lesben als beste und oft konsequenteste, weil unabhängigste Vertreterinnen von Fraueninteressen in ihrem Kampf um ihre Rechte, die ihnen von Natur aus verweigert werden, verloren haben sollen, weigere ich mich auch anzuerkennen und hinzunehmen.
Das Genderkonstrukt
Für die weitere Entwicklung hin zum Rückmarsch ins Patriarchat erfand ein Schlaukopf in den 90-iger Jahren den Begriff „gender“, der fortan auch institutionell die Frauenprojekte, erst nivellierend klein sparte und ihnen dann fast endgültig den Garaus machte. Es gibt zwar immer noch Lesben in typischen Frauenprojekten, aber sie beschweren sich schon darüber, sie wollen, vielleicht um Frust auszuschließen und persönliche Ablehnung, mehr und mehr nur noch als Lesben „unter sich“ leben, haben sich entpolitisiert und männerorientiert entwickelt und sollen sich nun in Homoprojekten zusammen mit Männern organisieren. Das Projekt der Feminisierung und der Entwicklung etwas eigenen, Neuen, dass gegen das Patriarchat steht und eine Veränderung der ganzen Gesellschaft im Blick hat, hin zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit für Frauen und Männer, das haben diese fallen gelassen.
Sehr interessanter Artikel, ich sehe das mit dem “queer und gender” auch als Rückschritt, scheine damit aber recht alleine zu stehen.
Es war sicher übrigens nicht als Rückschritt gemeint, von denen, die es einst anfingen, aber es ist zum Rückschritt geworden, Stück für Stück