junge welt/ 3.9.10/ Feuilleton An der Hinterfront einer schmucklosen Fassade, die an eine Gefängnismauer erinnert, sitzt das Publikum eingequetscht auf Treppenstufen, mit Blick durch einen Kreuzgang auf eine Seitenmauer des Alten Museums. Der Begriff „Freiluft“ scheint, anlässlich des viereckigen Stück Himmels, dass  hoch über den Köpfen der Zuschauenden sichtbar wird, übertrieben, stattdessen ist der hinterste Winkel der preußischen Machtarchitektur wie

Was war Neues an dieser Mutter Courage? Sie war jung, so jung, dass Teenagerkinder gerade noch glaubhaft waren, aber auch noch Flirts, Händel, dass sie sich durchschlug durch Kriege und Zeitalter. Körperliche Anstrengungen waren ihr noch nicht anzusehen, sie ging weder gebeugt, noch wirkte sie je gebrochen, dies wirkte dem Mitleid entgegen. Das Bühnenbild, es bestand einzig aus überdimensionierten Werbetafeln,

26.05.2010 / junge welt Travemünde, Timmendorfer Strand, Bad Schwartau, Lübeck, dort wohnen mehr Millionäre als im übrigen Deutschland, hierhin weitet sich die Hamburger Reichenszene aus. Riesige Gehöfte liegen einsam und leer hinter Bäumen, die die Besitzer nur zweimal im Jahr besuchen. Jedoch: »Die fetten Jahre sind vorbei«, das angehäufte Kapital rotiert nur noch im Kreis. Dazu wird dieser Tage im

Gastspiel am 12.5. 2010 im Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm/Dortmund Acht bis auf die Unterhose ausgezogene Männer sitzen, dem Publikum halb abgewandt, links der Bühne auf Stühlen und warten, während das Publikum langsam in den Saal strömt. Später schauen sie, wie in einer Schulklasse sitzend, dem Stück zu, das sich in einem weißen, drehbaren Extraraum auf der Bühne abspielt. Manchmal kommentieren

7.5.10 / junge welt / Feuilleton Ein unglücklich Liebender ist vergleichbar mit einem Gefangenen in Einzelhaft…«, »Menschen, die hochgradig gewalttätig sind, schaffen es, daß ihre Opfer sich schuldig fühlen« – diese zwei Zitate von Sarah Kane werden ihrem Stück »Zerbombt« im Theater Vorpommern vorangestellt. Sie sind leise aus Lautsprechern zu hören. »Zerbombt« (»Blasted«) war 1995 das erste Stück der englischen

23.04.2010 / junge welt/ Feuilleton Stimmt es, daß wer einen bestimmten Stoff braucht, um sich gut zu fühlen, in Wirklichkeit nur deshalb einem Gefühl hinterherjagt, weil er im wirklichen Leben eine Lücke spürt? Beim neuen Grips-Stück »Big Deal?« hat der Regisseur Robert Neumann das Kunststück zuwege gebracht, die Aristotetelischen Theatergesetze (Einheit von Zeit, Ort und Handlung) derart umzusetzen, daß sie

10.04.2010 / junge welt / Feuilleton / Seite 13 Keine Stadt Deutschlands verkörpert den Kapitalismus derart typisch wie Hamburg. Es ist der Ort, in dem das Kapital geradezu »überschäumt« und »auf seinem Weg immer mehr Mißverhältnisse, immer mehr Chaos und Krisen«, das heißt immer mehr Armut schafft (Lenin, Band 39, S.11). Laut Manager Magazin wohnen in Hamburg 36 der 300

07.04.2010 / junge welt / Feuilleton / Seite 12 Was ist die Perspektive aus all dem Elend, das dem kleinen Mann in der Regel so passiert? Wenn man Dario Fo fragt: „Bezahlt wird nicht!“ Natürlich nicht einfach so, sondern als Reaktion auf ständige Preiserhöhungen bei gleichzeitigem Reallohnabbbau und drohendem oder schon eingetretenem Arbeitsplatzverlust. Und dann entwickelt sich das Ganze mehr

In Indien hatte man seinerzeit eine gute Idee, wie man zwei Fliegen mit einer Klappe schlüge, die Arbeitslosigkeit und die Rattenplage. Man suche, ließ man öffentlich verkünden, Rattenfänger, die pro erlegter Ratte eine Rupie bekämen, es meldeten sich 50 promovierte Akademiker. Am 15.12.08 war im Spiegel Online zu lesen, dass solches nun auch hierzulande angedacht wird, FDP-Chef Mitte, Henner Schmidt,

Auf der schwarzen Bühne ist vorne auf einem Gestell eine Leinwand aufgespannt. Auf ihr ist undeutlich Asche in Schwarzweiß wahrnehmbar. Davor steht ein Mann, der sich unterhält – allerdings ist kein Gegenüber zu sehen. Zunächst erzählt er viel Unwichtiges, übers Wetter, über das Gebäude, in dem er sitzt. Dabei erfährt man den Ort, an dem er sich befindet: westliche Großstadt,